Überwältigende UN-Mehrheit für „sofortige humanitäre Waffenruhe“ in Gaza – Österreich dagegen

Mit einer überwältigenden Mehrheit hat die UN-Generalversammlung in der Nacht eine „sofortige humanitäre Waffenruhe“ in Gaza gefordert. 120 Staaten der internationalen Gemeinschaft stimmten für, lediglich 14 gegen die Resolution – darunter Israel, die USA und das ‚neutrale‘ Österreich. 45 Staaten – darunter das Gros des „Wertewestens“ aus der EU bis Kanada – enthielten sich. Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan nannte die von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution „infam“ und sprach von einem „dunklen Tag für die Vereinten Nationen und die Menschheit“, der ersichtlich mache, „dass die UN nicht einmal einen Hauch von Legitimität besitzen.“

Im Fokus der Resolution steht die immer prekärere humanitäre Lage im Gazastreifen. Im Vorfeld der neuerlichen Dringlichkeitssitzung hatte das UN-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) angesichts des Dauerbombardements und der rigorosen Abriegelung des Gazas (von den Experten der UNO als „kollektive Bestrafung“ verurteilt) seinerseits eindringlich appelliert: „Wir können diese menschliche Tragödie nicht mehr ignorieren“ und sprach dessen Generalsekretär Philippe Lazzarini von einer „Hölle auf Erden“.

Während sich das Gros der ‚regelbasierten‘ „westlichen Wertegemeinschaft“ – selbst das per „Staatsraison“ für die „bedingungslose Unterstützung“ Israels stehende Deutschland – sich mit einer Enthaltung abduckte, hingegen beispielsweise Frankreich dafür stimmte, stimmte das ‚neutrale‘ Österreich mit den USA (die mittlerweile ebenfalls erste Luftangriffe geflogen ist), erneut gegen eine „humanitäre Waffenruhe“.

Außer Österreich, Kroatien, Tschechien und Ungarn, machten nur noch die Fidschi, die abgewählten alten Eliten Guatemalas, die Marshalinseln, Mikronesien, Nauru, Papua-Neuguinea, Paraguay und Tonga gegen die Resolution Front oder gaben sich dafür her. Noch nicht einmal der notorische US-Vasall Palau oder ein weiteres Mitglied des G7-Klubs stimmte dagegen.

Unterdessen verstärkte Israel parallel seine Militäroffensive zu Luft, über Wasser und am Boden noch einmal dramatisch und weitete begleitend zur UN-Generalversammlung seinen Bodeneinsatz aus. Dabei hat, um einen Vergleich der Massivität der israelischen ‚Vergeltungsschläge‘ für die Großattacke der Hamas und weiterer Kräfte des Gazas vors Auge zu führen, Tel Aviv nach eigenen Angaben allein in der ersten Woche annähernd so viele Bomben auf den Gazastreifen abgeworfen wie die USA innerhalb eines Jahres im fast 1.800-mal größeren Afghanistan eingesetzt haben. Und die Bombardierungen wurde seitdem, einmal ganz abgesehen vom Einsatz international geächteter Bomben mit weißem Phosphor, noch Stufe um Stufe verstärkt. Eine entsprechende Spur der Verheerung zieht sich denn auch bereits durch die systematisch sturmreif gebombte Enklave am Mittelmeer. Bereits jetzt sind etwa die Hälfte der Gebäude im Gazastreifen zerstört, die Wasserentsalzungsanlagen und Trinkwasserversorgung weitgehend kollabiert und steht die medizinische Versorgung unmittelbar vor dem Zusammenbruch. Begleitend wurde gestern das Kommunikationsnetz (sprich: sämtliche Festnetz-, Mobilfunk- und Internetverbindungen) in Gaza gekappt. Das alles markiert indes erst den Auftakt zur bevorstehenden Großoffensive. Entsprechend auch die Wortwahl des Israels Regierungssprechers zur gestern Abend gestarteten, weiteren militärischen Eskalation: „Heute Nacht wird die Hamas unseren Zorn spüren.“ In New York erklärte UNO-Botschafter Erdan flankierend in Bezug auf die von den Vereinten Nationen geforderte „sofortigen humanitären Waffenruhe“: „Der einzige Ort an den diese Resolution gehört, ist der Mülleimer der Geschichte.“

Während sich die überwältigende Mehrheit der internationalen Gemeinschaft und im Vorfeld namentlich bereits etwa UN-Generalsekretär Guterres, China, Indien, die Afrikanische Union, Brasilien, Russland, Spanien, Frankreich, dem Nahost-Gipfel in Ägypten, die arabischen Länder sowie die Mehrheit der latein- und südamerikanische und asiatischen Staaten für einen sofortigen Waffenstillstand aussprechen und selbst EU-Außenbeauftragter Borrell und die Mehrheit der EU-Staaten auf eine humanitäre Feuerpause Israels drängten, nimmt Österreich an der Seite Tel Avivs und Washington die Rolle des „Falken“ ein. Und spricht dem rechten, rassistisch und faschistisch durchsetzten israelischen Kriegskabinett (der rechtesten Regierung in der israelischen Geschichte) die bedingungslose Unterstützung in dessen Raketenkrieg und Sturmreifbombardements des Gazastreifens sowie dessen Totalabriegelung aus und stellt ihm zugleich den bedingungslosen Persilschein aus. Koste es, was es wolle.

Dementsprechend leise ist es in der Alpenrepublik auch um den jüngst noch gefeierten, neuen – österreichischen – UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk geworden, der in den israelischen Vergeltungsschlägen und -Maßnahmen klare Anzeichen für Kriegsverbrechen erblickt. Die Dissonanz Österreichs zu seiner einstigen diplomatischen Rolle im Nahost-Konflikt (als man sich nach Kräften um Verhandlungslösungen und Wiens Rolle als Vermittler und Dialogstifter bemühte und sich nachdrücklich für den Schutz von Zivilisten in Kriegsfällen engagierte) könnte größer kaum sein. Bis hin zur Nonchalance gegenüber einem drohenden Flächenbrand im Nahen Osten.

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