Allzeithoch: Militärausgaben so hoch wie noch nie

Bereits in seiner ersten Rede als US-Präsident „Zur Lage der Nation“ erklärte Joe Biden unmissverständlich: „Der Rest der Welt kommt immer näher. Und zwar schnell. Wir können nicht erlauben, dass es so weitergeht.“ Um die transatlantische Vorherrschaft „des Westens“ über den Globus zu sichern, forcieren die Hauptstädte des Metropolenkapitalismus daher Wirtschafts- und Handelskriege, Zollschlachten und Sanktionsgefechte gegen Aufstiegsaspiranten des Globalen Südens, allen voran China, sowie offene Herausforderer der westlichen Dominanz oder einfach nur ungenügend kooperative bzw. unbotmäßige Länder. Und haben sich auf Kurs eines neuen globalen Wettrüstens begeben, der in einen regelrechten „Rüstungs-Tsunami“ übergegangen ist, wie SIPRI gerade auswies. Mit einem Anstieg von 6,8% der weltweiten Militärausgaben zum Vorjahr, verzeichneten die Rüstungsausgaben letztes Jahr eine Steigerung wie seit langem nicht. Für zwei Drittel dieses Rüstungswahns zeichnen, mit einem bloßen Siebtel der Weltbevölkerung, dabei „der Westen“ und seine engsten Verbündeten verantwortlich – weshalb wir unseren jüngsten Beitrag zur Hochrüstung hier nochmals leicht überarbeitet, ergänzt und aktualisiert um die letzten SIPRI-Daten adaptieren.     

Diese überbordende Rüstung ist, wie ihre langzeitliche Entwicklung deutlich zeigt, denn auch mitnichten ein Erbe aus dem „Kalten Krieg“ bzw. Überbleibsel der Strategie der „Todrüstung“ der Sowjetunion, sondern maßgebliche Folge der kriegerischen imperialen Globalstrategie des Westens und seiner zahllosen Kriege: gegen Jugoslawien 1999, Afghanistan 2001 – 2021, den Irak 2003 – 2011, Libyen 2011, gegen Syrien, Mali, seine zweimalige Intervention in Somalia oder auch Militäroperationen in einem Dutzend weiterer Länder wie darüber hinaus etwa in Uganda, Liberia, Haiti, im Nahen Osten oder aktuell dem Jemen. Das nochmals multiplizierte, aktuelle Hochdrehen der Rüstungsschraube wird von den politisch Verantwortlichen und Medien freilich unter den Vorwand des Ukraine-Kriegs gekleidet. Nur entspricht dies schlicht nicht den Fakten (auch wenn unter diesem Vorwand nun sozusagen auch die letzten Dämme gebrochen sind), wie schon ein flüchtiger Blick auf Europa zeigt, dass seine Militärausgaben bereits über die letzten 10 Jahre um exorbitante 62% hochfuhr und damit – entgegen dem medial gezeichneten Bild – schon seit einer Dekade eine Haupttriebkraft der globalen Hochrüstung bildet.

Entsprechend zogen die globalen Rüstungsausgaben, nach einem kurzen Rückgang im unmittelbaren Anschluss des sogenannten Zweiten Golfkriegs der USA gegen den Irak 1990 – 1991, auch schon seit 1998 (parallel zum Project for the New Amercian Century der Neocons) wieder rasant an und erreichten bereits 2006 wieder den Stand zu Ende des „Kalten Kriegs“. Ab 2012 stiegen sie dann nochmals besonders steil an, um 2021 erstmals die 2 Billionen Dollar Schallmauer zu übersteigen und sich zu 1998 zu verdoppeln. Von wegen „Friedensdividende“. Und wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt als der Ukraine-Krieg noch in ferner liefen lag, ja sogar noch gehörig vor dem Euro-Maidan, der Eingliederung der Krim und der mehrschichtigen Eskalation des Ukraine-Konflikts.

Während die Arbeitenden in den Metropolen und Millionenmassen der Subalternen rund um den Globus zunehmend unter der multiplen Krise und Krisenkonjunktur des kapitalistischen Weltsystems ächzen und darben (von der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09, über die Eurokrise 2010/11, zur Wirtschafts- und Coronakrise 2020/21, Rückkehr der Hochinflationszeit 2022/23, verschärft wie verschränkt mit der Einzug gehaltenen Klimakrise und globalen Umweltkatastrophen etc.) sind die weltweiten Militärausgaben parallel auf ein neues geschichtliches Allzeithoch von irrsinnigen 2,44 Billionen oder 2.443 Mrd. Dollar 2023 angewachsen. Ein wie gesagt seit Langem beispielsloses Plus von (inflationsbereinigt) 6,8% zu 2022. Unberührt von allen Budgetrestriktionen à la Maastricht oder gegen Soziales in die Verfassung geschraubte Schuldenbremse. Tendenz: rasant weiter steigend.

Exorbitante 52% davon gaben zuletzt alleine die G7-Staaten, des selbsternannten westlichen „Lenkungsausschuss der Weltwirtschaft und Weltpolitik“, für ihren Kampf um ihre globale Vorherrschaft aus. Auf die NATO als westlichem Militärpakt entfallen mit 55% oder 1.340 Mrd. Dollar der weltweiten Militärausgaben entsprechend noch deutlicher über die Hälfte der globalen Rüstungsmilliarden. Demgegenüber entfielen auf die „Kontrahenten“ China und Russland Anfang 2022 exakt 16,9%. Mit einem Militäretat von 1.154 Billionen Dollar der NATO-Staaten (2021) zu 65,9 Milliarden Dollar auf russischer Seite (2021) vereinte Moskau gerade einmal ein 18tel des Militäretats der NATO auf sich – oder spiegelverkehrt: stand eine 18-Fache Überlegenheit der NATO zu Buche.

An diesem militärischen Grundkräfteverhältnis werden auch die kriegswirtschaftlichen Umstellungen Russlands aufgrund des noch gravierenderen Unterschieds in den ökonomischen Kräfteverhältnissen (mit 24 zu 1 zu Gunsten der NATO-Staaten) nichts Substantielles verändern – auch wenn die russischen Militärausgaben mit dem Ukraine-Krieg gegenwärtig auf 109 Milliarden Dollar gestiegen sind. Zumal im „Kollektiven Westen“ umgekehrt mittlerweile auch die letzten Dämme gebrochen sind. In Deutschland bildet der Rüstungsetat so überhaupt den einzigen im Budget erhöhten Einzelhaushalt. Und unangefochten an einsamer Spitze stehen wie seit ehedem die USA mit zuletzt allein 916 Milliarden Dollar, womit die Führungsmacht des Westens alleine 37% der weltweiten Militärausgaben tätigt. Zum Vergleich: Das ist mehr als dreimal so viel wie China (das zudem keinem Militärblock angehört) und knapp elfmal so viel wie das mit über 1,4 Milliarden Einwohner zwischenzeitlich bevölkerungsreichste Land der Erde, Indien. Und spiegelt sich nicht nur in absoluten Zahlen, sondern ebenso in relativen wider. So geben die USA mit 3,4% am BIP das Doppelte Chinas – mit 1,7% – aus und liegt auch Europa mit 2,8% seiner Wirtschaftsleistung weit vor Peking. Was sich nur West- und Mitteleuropa betreffend auch darin manifestiert, dass dessen Militärausgaben mit 407 Milliarden Dollar ebenfalls weit über den chinesischen, ja selbst über den chinesischen und indischen zusammen (296 Milliarden Dollar bzw. 84 Milliarden Dollar) liegen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vermeldete denn unlängst auch stolz eine „beispiellose“ Anhebung der Rüstungsausgaben des westlichen Militärpakts. Und auch Japan steht vor einer seit dem Zweiten Weltkrieg nicht dagewesenen neuen Militarisierung. Wählt man als Bezugspunkt daher genauer noch „den Westen“ und seine engsten globalen Verbündeten (Japan, Australien, Südkorea, …), tätigen diese, für ein Siebtel der Weltbevölkerung zeichnend, rund zwei Drittel der globalen Militärausgaben. Ja, das neue globale Wett- und Hochrüsten ist in eine Rüstungsspirale ohne erkennbarem Ende übergegangen.

Auf dessen Welle steht auch Österreich stramm „Habt -Acht“. Und die 1,8 Mrd. Euro schweren 225 neuen „Pandur“-Panzer sind erst der Einstieg in die „Mission Vorwärts“, unter welchem Titel Bundkanzler Karl Nehammer und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im besten Einvernehmen mit den heimischen Oliv-Grünen die die größte Anschaffung des Bundesheers seit zwei Jahrzehnten feierten. Denn von nun ab „beginnt eine neue Zeit im österreichischen Bundesheer“, die vom vermeintlichen „Prozess des Nachrüstens“ dann in eine angekündigte massive „Aufrüstung“ übergehen wird. Verschränkt mit einer „Umrüstung“ und Neuauslegung des Streitkräftemodells – nach einer Ära der Forcierung von Battle Groups, für Militärinterventionen im Globalen Süden und gegen kleinere Staaten –, auf „symmetrische Kriege“ in Großverbänden unter der Parole: „Auf zur letzten Schlacht“!

Der fürs Publikum konstruierte vermeintliche Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ist auf nüchterner Datenbasis denn auch ebenso grotesk und verlogen, wie die Rede angeblich sträflich vernachlässigter Verteidigungsausgaben, gar „kaputtgesparter“ Streitkräfte, schlichtweg falsch ist. Und das gilt eben beiweilen nicht nur für die USA oder die waffenstarrenden EU-Oststaaten. Auch in West- und Mitteleuropa stiegen die Rüstungsausgaben seit 2013 um 30% und verdoppelten sich die Rüstungsimporte in den letzten fünf Jahren (also von 2019 auf 2023 zum Zeitraum 2014 bis 2018) annährend (+94%). Allein die europäischen NATO-Staaten verfügten dementsprechend im angeblichen „Zeitenwende-“Februar 2022 über die doppelte Schlagkraft an Waffensystemen zur konventionellen Kriegführung. Mangelnde „Verteidigungsfähigkeit“ oder „Versäumnisse der Vergangenheit“ gegenüber einem halluzinierten Angriff Russlands auf die EU jedenfalls nehmen sich anders aus.

Die rüstungspolitische Ausschlachtung des Ukraine-Kriegs durch die SchreibtischfeldwebelInnen an vorderster Front des neuen Wettrüstens, hat denn auch andere Triebkräfte, wie es Andreas Seifert von der Informationsstelle Militarisierung auf den Punkt brachte: „Die 2022 ausgerufene Zeitenwende … schafft den [willkommenen] Begründungsrahmen für Pläne, die schon lang bereit lagen.“ Und mit der von der EU-Kommission gerade vorgelegten neuen Strategie für die Rüstungsindustrie, dreht Brüssel nochmals kräftig weiter an der Hochrüstungsschraube, der Militarisierung der internationalen Beziehungen und EU-Rüstungsboom. 

Flankiert durch ein „Brainwashing“ per bellizistischem Dauerbombardement und politisch-medial zu stiften versuchter Akzeptanz, samt kriegswirtschaftlichem Paradigmenwechsel des Gesellschaftsfähigen, soll eine einschneidende „Zeitenwende“ auf den Weg gebracht werden. Pointiert bemerkte dazu bereits im Herbst die Süddeutsche Zeitung: „So haben sich die Zeiten geändert“, wie die SZ zum gehypten und medienwirksam inszenierten Spatenstich einer neuen Rüstungsschmiede von Rheinmetall spöttelte. „Anders als vor dem Krieg in der Ukraine, als sich die Rüstungsindustrie eher versteckte – und von der Politik gemieden wurde.“ Mied man es bis jüngst tunlichst, sich mit Rüstungskonzernen unter den Linden zu zeigen, zelebriert man heute hingegen eine neue Intimität mit den Rüstungsschmieden und Rüstungsbaronen. Denn die neue Leitparole der über uns rollenden Militarisierung lässt sich in drei Worten zusammenfassen: „Waffen, Waffen, Waffen.“

 

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