Nie wieder! Hiroshima und Nagasaki im Lichte der Vergangenheit und Blick der Gegenwart, Teil 1

Am 6. August 1945 fand der erste atomare Massenmord statt. Der US-Atombombenabwurf der höhnisch „Little Boy“ benannten Atombombe auf Hiroshima. Nur drei Tage später warfen die USA dann bekanntlich auch noch die Plutoniumbombe „Fat Man“ über Nagasaki ab. Etwa 100.000 Menschen starben sofort, weitere 130.000 bis Jahresende. Von vielen fand man keinerlei Spuren mehr. Hunderttausende starben in späteren Jahren an den Folgen bzw. erlitten Langzeitfolgen der Atombomben-Explosion und der radioaktiven Strahlung. Die beide Städte in Schutt, Asche und Verstrahlung legenden Abwürfe waren die bislang einzigen Einsätze von Atomwaffen in einem Krieg und stehen mit an der Spitze historisch beispielsloses Kriegsverbrechen. Angesichts der gegenwärtigen (Welt-)Lage greifen wir zum nun unmittelbaren Gedenken an Hiroshima und Nagasaki in einem dreiteiligen Beitrag noch einmal tiefer und weiter aus als bereits zuletzt.

Relativierungserzählungen, Lügen und der eigentliche Charakter des atomaren Kriegsverbrechens 

Bis heute wird seitens der herrschenden Kreise der USA und in der westlichen Geschichtsschreibung allerdings versucht dieses unfassbare Kriegsverbrechen zu relativieren. Die Abwürfe, so die Mär, hätten erheblich dazu beigetragen, dass kurz darauf, am 15. August, Japans Kaiser Hirohito in einer Rede die Beendigung des „Großostasiatischen Krieges“ bekanntgeben und Japan am 2. September 1945 kapitulieren musste. Eine bis heute tradierte Unwahrheit und glatte Kriegslüge Made in USA.

Das bestätigte noch im selben Jahr auch der höchste Militär der USA im Jahre 1945, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Admiral Willam D. Leahy offen: „Die Japaner waren bereits geschlagen und zur Kapitulation bereit … Der Einsatz dieser barbarischen Waffe in Hiroshima und Nagasaki brachte in unsrem Krieg gegen Japan keine materielle Unterstützung.“ „Nach meiner Meinung war der Einsatz dieser barbarischen Waffe … keinesfalls notwendig.“ Der US-amerikanische Atombombeneinsatz entsprang – das belegen auch die ausführlichen Studien des Chef-Historikers der US Nuclear Regulatory Commission, Dr. J. Samuel Walker – mitnichten militärischen Erwägungen oder militärischen Ratschlägen. Im Gegenteil, das Who‘s Who der damaligen US-Generäle erklärten den Einsatz der Atombombe für militärisch unnötig. 

Atomarer Massenmord für die US-Nachkriegsordnung

Hiroshima, eine vorrangig zivile Stadt, wurde gewählt, wie es in den mittlerweile freigegebenen Dokumenten in blanker Menschenverachtung heißt, weil es „den Vorteil“ hatte, „dass es so groß und durch die umliegenden Berge so eingekesselt ist, dass die Zerstörung eines großen Teils der Stadt zu erwarten ist“. Um dieses maximale Vernichtungspotential gänzlich auszuschöpfen, wurden auch die Wetterberichte fein säuberlich in das konkrete Datum der Abwürfe auf die beiden sich noch nicht einmal in der Liste der 33 wichtigsten Angriffsziele in Japan befindlichen Städte einbezogen. Die nukleare Auslöschung der beiden Städte folgte denn auch keinerlei gearteten militärischen Erwägungen in Bezug auf Japan. Das nukleare Inferno erfolgte vielmehr als Drohung und Damoklesschwert gegen die Sowjetunion, was heute auch von fast sämtlichen sachkundigen ForscherInnen und HistorikerInnen so gesehen wird. Demgemäß gelangte Patrick M. S. Blackett, Nobelpreisträger für Physik 1948 und Atomwaffenkritiker, bereits wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Schluss, „dass der Abwurf der Atombomben nicht so sehr der letzte Akt des zweiten Weltkriegs war als vielmehr eine der ersten größeren Operationen im Kalten Krieg mit Russland.“ D.h. im Klartext: insgesamt mehr als 400.000 japanische Zivilisten wurden kurzerhand der Globalstrategie des US-Imperialismus für die Nachkriegsordnung geopfert.

Abseits der Öffentlichkeit gab US-Präsident Harry S. Truman später selbst zu, dass es sich bei den Atombombenabwürfen um „Mord“ handelte. Ja, so Truman weiter, die Atombombe sei „weit schlimmer als Gas und biologische Kriegsführung, denn sie wirkt auf die Zivilbevölkerung und ermordet sie massenhaft.“ Sein Enkel sprach bei der Trauerfeier in Hiroshima vor einem Jahrzehnt dann auch nochmals historisch Tacheles: Das – bezeichnender Weise während der Potsdamer Konferenz und parallel zum vereinbarten, parallelen Vorrücken der Roten Armee gegen Japan befohlene – Kriegsverbrechen hatte „vor allem dem Zweck gedient, die Sowjetunion abzuschrecken“. Denn, so wiederum Präsident Truman selbst in den Tagen vor dem Atomschlag gegen Hiroshima: die Konfrontation mit dieser Machtdemonstration an Überlegenheit, „ist das einzige, was die Russen verstehen.“ Verbrecherischer geht es kaum mehr: Atomarer Massenmord für die US-Nachkriegsordnung.

US-Strategen und Militärs: ‚Schafft ein, zwei, viele Hiroshimas‘ 

Auf diesen Nenner könnte man dann die weltpolitischen Vorstellungen und das Trachten der Falken Washingtons im Gefolge Hiroshimas bringen. Bereits im November 1945, ein bloßes Vierteljahr nach der nuklearen Verheerung Hiroshimas und Nagasakis, erstellten Think Tanks für‘s Pentagon eine Liste mit 20 sowjetischen Industriestädten und Verwaltungszentren für einen „präventiven begrenzten Atomschlag“, wie es hieß. Als Abwurfziele finden sich in den Dokumenten dabei unter anderem Moskau, Leningrad, Omsk, Swerdlowsk, Tiflis und weitere Großstädte. Allerdings gelangten die US-Strategen und Militärs alsbald zur Erkenntnis, dass es mit Atombombenabwürfen nicht getan wäre und es zudem einer militärischen Großoffensive bedürfte, um die Sowjetunion auszuradieren. 1947 wurden dann auch genauen Ziele einer solch begleitenden Militäroffensive, samt dafür benötigte Jagdfliegerstaffeln und Militär-Divisionen in ein Memorandum gegossen. Bekannt geworden sind diese Geheimdokumente der US-Generalität später unter anderem unter dem ebenso zynischen wie vielsagenden Namen „Broiler“ („Grillen“). 

In den herrschenden politischen und militärischen Kreisen sowie Fraktionen der USA tobten dazu freilich heftige innere Auseinandersetzungen, die im Korea-Krieg 1950/51 dann offen ausbrachen. General McArthur forderte bekanntlich immer vehementer den Einsatz von Atombomben auf Ziele in Nordkorea (insgesamt auf sage- und schreibe 49 nordkoreanische Städte) und eine Ausweitung des Kriegs und der nuklearen Kriegsführung auf China. Die Kontroverse zwischen (sogar) Präsident Truman und MacArthur um die Form und den Eskalationsgrad der US-amerikanischen Kriegsführung eskalierte darob selbst und führte im April 1951 zur Absetzung des Oberkommandierenden im Pazifik von seinem Posten. In den Vereinigten Staaten war und blieb MacArthur, der auch politische Karriereträume hegte, gleichzeitig ungemein populär und erhielt zahlreiche Ehrungen. Obschon sich aufgrund der veränderten internationalen Kräfteverhältnisse zu 1945, Truman seinerzeit durchsetze (wiewohl es einige Wochen sogar möglich schien und als unausgemacht galt, ob MacArthur nicht die Regierungsgewalt übernehmen könnte), wurde gleichzeitig die „Theorie des lokalen Atomkriegs“ fester Bestandteil der US- und NATO-Kernwaffenstrategie und ist es bis heute geblieben. 

3.500 Atombomben auf die Sowjetunion 

Die geradezu obsessive, auch nukleare „Containment“- und „Rollback“-Aggressions- und Kriegspolitik Washingtons blieb entsprechend ebenso feste Konstante der US-Globalstrategie wie eine etwaige atomare „Major Attack“ gegen die Sowjetunion. Und die Militärstrategen übertrafen das zunächst ersonnene Inferno der Operation „Broiler“ nochmals um Dimension. Bereits der unter John F. Kennedy, dem wohl verklärtesten aller US-Präsidenten, geltende „Single Integrated Operation Plan“ (SIOP) sah den Abschuss von kaum mehr fasslichen 3.500 (nochmals viel „moderneren“) Atomwaffen gegen sage und schreibe 1.077 Ziele in der Sowjetunion auf einen Schlag (!) vor. Der Plan des „Strategic Air Command“ von 1956 schraubte die zur „systematischen Zerstörung“ vorgesehen Ziele nochmals auf unvorstellbare über 2.300 – darunter gleichsam sämtliche großen und größeren Städte – hinauf. Unter Ronald Reagan galt dann der gleichzeitige Einsatz von mindestens 1.000 Atomraketen mit einer unvergleichlich viel präzisieren, punktgenauen Treffsicherheit und einer Sprengkraft eines jeweils zigfachen der Hiroshimabombe auf Ziele in der UdSSR als das strategische Minimum (!) der US-Militärdoktrin resp. eines etwaigen „Enthauptungsschlags“. (Das heutige US-Atomwaffenarsenal, in Parenthese, hat vielfach um nochmals beinahe ein halbes Jahrhundert an Zerstörungswucht gewonnen.) 

Teil 2 folgt morgen

Bild: Wikimedia Commons. Believed to have been taken about 30 minutes after detonation of about 10km (6 miles) east of the hypocentre.

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