Der Angriff auf die „Benya-Formel“ und die Malaise der AK

Mit Jahresbeginn wurde aus den Wirtschaftsforschungsinstituten WIFO und IHS, unter Applaus der Wirtschaftskammer, eine Änderung bzw. Ablösung der sogenannten „Benya-Formel“ als alpenländische Richtlinie für die jährlichen Lohnverhandlungen gefordert. Die AK Niederösterreich ist diesem Angriff aus den tradierten Vermittlungsinstitutionen des „sozialpartnerschaftlichen“ Geflechts einerseits jüngst entgegengetreten, hat sich dabei andererseits aber auf einen Holzweg verrannt.

Dass eine an der „Benya-Formel“ orientierte Lohnpolitik (die jährliche Lohnerhöhung habe den Anstieg der Lebenserhaltungskosten – genauer: die Inflationsrate – auszugleichen plus den halben Wert des Produktivitätszuwachses zu umfassen), seit den frühen 1980er Jahren realiter bereits mehr und mehr zugunsten einer wettbewerbsorientierten Lohnpolitik „maßvoller“ Lohnabschlüsse im „höheren Interesse“ der Schlacht um den Weltmarkt entsorgt wurde bzw. wo noch zugrunde gelegt, nur selten auch erzielt wurde, sei eingangs zumindest vermerkt.

Im vorliegenden Zusammenhang geht es uns aber um etwas anderes, viel prinzipielleres. „Die Benya-Formel“, so die AK Niederösterreich, „ist zeitlos und sichert den sozialen Frieden in Österreich.“ Und als solch „zeitlose“ lohnpolitische Richtlinie (und ‚Garant‘ des Stillhaltens der Arbeitenden) „muss (sie) somit weiterhin die Grundlage der Kollektivvertragsverhandlungen bilden.“

Gegen solche Verklärungen der sogenannten „Benya-Formel“ sei zunächst einmal nachdrücklich hervorgehoben: ihr zugrunde bzw. eingeschrieben liegt die irrige Auffassung, es ließe sich mit ihr eine Art „gerechter“ oder „richtiger“ Lohn in beiderseitiger Ausgewogenheit ausmachen, für den man zudem auch noch gleichsam objektive Kriterien an der Hand habe.

Der Lohnstreit und die Lohnfindung entzieht sich aber einer solchen „Versachlichung“. In derartigen „Zauber-Formeln“ reflektiert sich folglich nur eine falsche Interpretation der Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital. In Wirklichkeit bedeutet eine reine Nachäffung der Arbeitsproduktivität als quasi buchhalterisches Kriterium der Lohnentwicklung bereits eine Parteinahme im Lohnkampf auf Seiten des Kapitals. Sie betrachtet den Lohn darin vorrangig als Kostenfaktor der Unternehmen und geht wie selbstverständlich von der unausgesprochenen Voraussetzung aus, dass die Lohnquote am Volkseinkommen konstant zu bleiben habe. Daran würde auch eine tatsächliche Renaissance der „Benya-Formel“ nichts ändern (zumal ihr mit hinzu in Wirklichkeit eine immanente Verschlechterung der Verteilungsrelation eingeschrieben ist).

Aber, selbst eine Durchsetzung der noch ein Stück darüber hinaus gehenden und sich am sogenannten „neutralen Verteilungsspielraum“ orientierenden „produktivitätsorientierten Reallohnentwicklung“ (der zufolge die Reallöhne in Höhe der Inflationsrate plus des unverkürzten jährlichen Produktivitätszuwachses steigen sollen), würde am Verteilungsverhältnis zwischen Kapital und Arbeit nichts ändern. Zwar würde sie sich sicherlich wohltuend von der herrschenden Lohnzurückhaltung bzw. vorübergehend wieder stärker herbeizitierten „Benya-Formel“ abheben und zumindest der ständigen Verschlechterung der Verteilungsverhältnisse Einhalt gebieten. Einer neuen Primärverteilung zwischen Kapital und Arbeit vermag aber weder diese noch jene zum Durchbruch zu verhelfen.

Der Lohnkampf und die jährlichen KV-Abschlüsse sind denn auch keine nach sozusagen statistischen Parametern bestimmbare Angelegenheit, sondern eine Frage des Klasseninteresses und Ergebnis gewerkschaftlicher und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.

Natürlich ist einer sozusagen offiziellen Aufkündigung der „Benya-Formel“ als gleichsame Mindest-Marke für Kollektivvertragsverhandlungen geballt entgegenzutreten. Zugleich bedarf es für die nötige Korrektur der Einkommensverteilung, sprich: einer Umverteilung in der Primärverteilung von den Gewinnen zu den Löhnen- und Gehältern allerdings noch des Schritts in Richtung expansiver Lohnpolitik – oder aufs Formelhafte verdichtet: Reallohnsteigerung = in Höhe der Inflation + dem unverkürzten jährlichen Produktivitätszuwachs + einer dauerhaft kräftigen Umverteilungskomponente von den Profiten zu den Lohn- und Gehaltseinkommen.

Für eine solche reale Umverteilung in der Primärverteilung von Oben nach Unten gilt es jedoch, alle – gar noch als „zeitlos“ postulierten – buchhalterischen Selbstverkürzungen der Lohnpolitik offensiv zu überwinden, wie wir als KOMintern auch opponierten. Dahingehend ist vielmehr eine grundsätzliche ideologische und gewerkschaftspolitische Wende von Nöten, sprich: sich einzige den Arbeits- und Lebensinteressen der Werktätigen verpflichtende Lohabschlüsse deutlich über der Inflation und Zunahme der Arbeitsproduktivität.

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