Klassenkampf statt „Sozialpartnerschaft“: Wer – wen? Für eine neue kämpferische Perspektive von unten!

Nach einer vorübergehenden Sommerpause gilt es im nunmehr 10. und letzten Teil unserer marxistischen linken Kritik an der „Sozialpartnerschaft“ nun Resümee zu ziehen. Ihren sozialen Charakter und die ideologischen und politischen Folge- und Langzeitschäden arbeiteten wir schon in den ersten Teilen der Artikelserie heraus, um im Anschluss den Wandel ihrer Ausprägung seit den 1960er/1970er Jahren, beginnend ab Mitte der 1980er und den 1990er Jahren und ihrer zunehmenden Erosion bis hin zur mehrmaligen, weitgehenden Sistierung seit den 2000er Jahren detaillierter und tiefergreifend in den Blick zu nehmen. An dieser Entwicklungstendenz ändern auch ihre partiellen Wiederbelebungen auf verschiedenen Ebenen in der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2007/08 oder in der Corona-Krise 2020 ff nichts.

Auch wenn die „Sozialpartnerschaft“ – in freilich „abgeschlankter Version“ oder „zusammengestutztem Arrangement“ unter gravierend verschobenen Kräfteverhältnissen zu Gunsten des Kapitals –, noch nicht unmittelbar vor ihrer staatsoffiziellen Aufkündigung steht, ihr gewandeltes Arrangement und insbesondere die Erfahrungen der türkis/schwarz-blauen Regierungsjahre 2017/18, in denen die „Sozialpartnerschaft“ nicht nur eingeschränkt, sondern „vollends ausgeschaltet“ worden war (Emmerich Tálos), werfen nicht zuletzt auch aktuell ihre Schatten in die nähere und weitere Zukunft voraus.

Unter der noch gar nicht so lange zurückliegenden Patronanz von Kurz/Strache ist kein einziges Gesetz mehr unter Einbindung der „Sozialpartner“ entstanden. Gleichzeitig zeigten der geradezu symbolhafte Backlash des 12-Stunden-Tags und dessen neu verfasstes Eingreifen der Regierung selbst in die Gestaltung der einstigen „sozialpartnerschaftlichen Kernmaterien“, oder die institutionellen Neugestaltungen der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen bis hin zur Ausbootung der „Arbeitnehmerseite“ aus dem Generalrat der Österreichischen Nationalbank, unübersehbar an – wem die Stunde schlägt. Dass die WKO umgekehrt gleichzeitig offen über die „Handschrift der Wirtschaft“ in den Regierungsprogrammen Kurz II, aber auch jenem von Schwarz-Grün frohlockte, verdeutlicht das heutige politische Strickmuster und den Bedeutungsverlust des alten „sozialpartnerschaftlichen“ interessenspolitischen Musters nur nochmals spiegelverkehrt. So ist kein bis kaum mehr ein Gesetz unter Einbindung der „Sozialpartner“ entstanden – ausgeschaltet gewesen waren aber nur die Arbeitnehmerverbände, die Unternehmerverbände haben ihre Interessen indes mit neuer Intensität durchsetzen können. Sollte demnächst, so Emmerich Tálos, „eine schwarz-blaue Koalition kommen, wird die Sozialpartnerschaft als einer der wesentlichen Faktoren im politischen Entscheidungsprozess wohl wieder ausgeschaltet werden.“ Aber auch unter anderweitigen Regierungskonstellation sind ihr genereller Bedeutungsverlust und die gravierenden Verschiebungen der Kräfteverhältnisse „um“ sie und „in“ ihr, sowie der politischen Einflussgewichtsverlust der Gewerkschaften und AK heute unhintergehbar.

Wer – wen?

Was der „Sozialpartnerschaft“ als „institutionalisierter Konfliktbeziehung zwischen Kapital und Arbeit“ gegebenenfalls nachfolgt, entscheidet sich indes weitgehend daran, wer ihr den Garaus macht. Gelingt es den Arbeitenden und kämpferischen gewerkschaftlichen Kräften, den ÖGB und die AK aus ihrer sozialpartnerschaftlichen Einbindung und Orientierung herauszulösen und diese Art „Partnerschaft“ mit dem Kapital zu überwinden, dann würde sich daraus eine neue kämpferische Perspektive eröffnen. Gelingt es hingegen nicht, ÖGB und AK aus ihrer devoten Intimität mit dem Kapital und „sozialpartnerschaftlichen“ Unterordnung heraus zu brechen und die Gewerkschaften wieder in ein Kampforgan zu verwandeln, kann es gut sein, dass es mit der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, zum Schaden der arbeitenden Menschen und einer emanzipatorischen Perspektive, einen schmählichen Niedergang nimmt.

Für eine neue kämpferische Perspektive von unten!

Ob und inwieweit die Konteroffensive des Kapitals, „sozialpartnerschaftlich“ drapiert oder ungeschminkt, weiter durchzuschlagen vermag, wird sich letztlich am Widerstand, allem voran gewerkschaftlichen, entscheiden, den wir ihr entgegensetzen.

Aber dafür bedarf es freilich zugleich eines Kurswechsels der Gewerkschaften, ihre Umwandlung in ein Kampfinstrument. Denn ohne des konsequenten Kampfes in Mobilisierung und Einbeziehung der Beschäftigten werden sich die Kräfteverhältnisse nicht verschieben lassen.

Auf „sozialpartnerschaftlichen“ ausgetretenen Pfaden und Samtpfoten, in denen die Resolution und Presseerklärung gemeinhin als „höchste Kampfform“ gelten, lässt sich dem Wüten des Kapitals und seiner politischen Figuren nun mal nicht Einhalt gebieten.

Die „Sozialpartnerschaft“ als hoch entwickelte Form des „Klassenkompromisses“ involviert strukturell, dass außer in Ausnahmefällen darauf verzichtet wird, Protest- oder Kampfmaßnahmen auch nur anzudrohen, geschweige denn durchzuführen. Die verordnete Apathie verhindert zugleich ein breiteres Entstehen eines kämpferischen Klassenbewusstseins. Nicht allein Streiks, sondern alle erdenklichen Formen der Selbsttätigkeit und Selbstermächtigung der Basis werden im Grunde verpönt. Das Fehlen großer Klassenkonflikte seit Jahrzehnten führte dazu, dass die Beschäftigten das Bewusstsein ihrer Kraft und die Erkenntnis ihrer Lage und Grundinteressen nicht entwickeln konnten.

Dahingehend ist es denn auch unabdingbar, den ÖGB aus seiner sozialdemokratischen Umklammerung und „sozialpartnerschaftlichen“ Orientierung wie institutionellen Einbindung ins herrschende System herauszulösen – hin zu einer kämpferischen Interessensvertretung der Arbeitenden. Einzig eine solche, lediglich deren Arbeits- und Lebensinteressen verpflichtete, Wandlung der Gewerkschaften (getragen von einer entsprechenden Grundhaltung der Mehrheit der Betriebsräte, Mitglieder und FunktionärInnen) ermöglicht es heute noch, die Interessen der Massen zu verteidigen und zur Geltung zu bringen.

Wiederherstellung der Klassenfunktion der Gewerkschaft

Eine derartige Wiederherstellung der Klassenfunktion der Gewerkschaft ist zweifelsohne eine mühselige, aber zugleich unabdingbare Aufgabe, die ebenso kämpferischer Betriebsräte, der Entwicklung einer neuen Konfliktbereitschaft in den Betrieben, wie des breiten gewerkschaftlichen Engagements und klassenbewußten innergewerkschaftlichen Ringens bedarf. Denn ohne – gar gegen – die Gewerkschaft lässt sich nicht nur dem entfesselten Klassenkampf von Oben nicht begegnen, sondern sind in Österreich kaum größere gesellschaftliche Kämpfe zu gewinnen.

Selbstermächtigung

Der hier angezogenen Perspektive ist gleichzeitig ein deutlich unterschiedenes, revolutionäres Klassen- und Menschenbild eingeschrieben, das gegen die eingefahrene „Stellvertreterpolitik“ für die Arbeitenden unsere Selbstermächtigung stark macht – und den Werktätigen in ihrer Selbsttätigkeit und ihren Erfahrungen in Arbeits- und Klassenkämpfen die Einsicht in ihre geschichtliche Kraft bewusst werden lässt. Ein Bild, das dem Ideal der „sozialpartnerschaftlichen“ Gewerkschaftsspitze nach „besonnenen ArbeitnehmerInnen“ – die nicht durch Kritik, kämpferischere Einstellungen oder gar eigenem Engagement lästig werden und vor dem Fernsehschirm oder via Twitter noch zufrieden das hinnehmen, was als „das denkbar beste Ergebnis“ des „Ringens am grünen Tisch“ ausgegeben wird -, gleichsam geradezu diametral entgegengesetzt ist.

Die Verhältnisse zum Tanzen bringen, umwälzen und umwerfen

Eine Gewerkschaft, die nicht kampffähig ist, hat keine Zukunft. Nur wenn die Gewerkschaftsbewegung wieder konsequente Gegenmacht zu den Interessen des Kapitals wird, besteht die Chance den Niedergang der Gewerkschaften zu verhindern, die Interessen der Arbeitenden zu behaupten und eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse in Gang zu setzen. Freilich, auch eine solche Kampfperspektive würde noch keine neue Gesellschaftsordnung erbringen. Wohl aber ein neues Kräfteverhältnis zugunsten der Arbeiterbewegung und eine neue politische Landschaft, die zugleich den Weg über die Kapital-Logik hinaus öffnen könnte.

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