Stauffenberg und der 20. Juli im Lichte der Geschichte und Gegenwart

Kommenden Samstag jährt sich der von Claus Schenk Graf von Stauffenberg ausgeführte Attentatsversuch der „Bewegung des 20. Juli“ auf Adolf Hitler zum 80. Mal. Schon frühzeitig auf die Formel des „Aufstands des Gewissens“ durchgängig „freiheitlich gesinnter Kräfte aus allen Lagern“ – ja gar auf den „Höhepunkt und Endpunkt“ des Widerstands – gebracht, verschwinden darin sowohl die Komplexität des Widerstands wie die tiefgreifenden, teils diametralen politischen Unterschiede seiner Proponenten zu einem der gründlicheren Untersuchungen entwundenen, bürgerlich-genehm zugerichteten Amalgam. Zugleich werden mit der vielfachen Stilisierung des 20. Juli als „dem Widerstand“ überhaupt, ungeachtet der Größe der Tat und des Mutes der Verschwörer, bewusst der Anteil und die besondere Qualität sowie die prinzipiellere Zielsetzung des ArbeiterInnenwiderstands aus dem Blick gerückt. Ein eingehenderer Blick auf den 20. Juli wirft aber ebenso unabweislich die Frage auf, wer sich gerade heute eigentlich mit Recht auf die Tradition Stauffenbergs berufen darf und wer aller ihn bloß billig und durchsichtig instrumentalisiert.

Um sich den angerissenen Fragekomplexen zu nähern, ist es gleich eingangs hilfreich sich mit dem Historiker und Faschismusforscher Reinhard Kühnl (zumindest) drei präzise Fragen zu stellen:

„1. Wann setzte der Widerstand ein? Setzte er 1933 ein, als das Terrorsystem errichtet wurde – oder vielleicht erst 1943, als die militärische Niederlage absehbar war? Im zweiten Fall können [zumindest in vielen Fällen] Elemente von Opportunismus ja wohl nicht übersehen werden.

  1. Waren die Aktivitäten prinzipiell gegen das System gerichtet, gegen seinen Terror und seinen Krieg, oder vielleicht nur gegen die eine oder andere Einzelmaßnahme – bei Billigung des Systems als Ganzen? Zielten die Aktivitäten auf Schädigung und Sturz des Regimes oder womöglich auf seine Effektivierung, zum Beispiel im Sinne sachgemäßerer Kriegführung, wie sie von manchen Generälen von Hitler verlangt wurde? Im zweiten Fall kann von Widerstand ja wohl nicht die Rede sein.
  2. Und was sollte an die Stelle der faschistischen Diktatur treten? Ein demokratischer, gegenüber den Nachtbarvölkern friedlicher Staat – oder vielleicht ein anderer autoritär-militaristischer Staat, der womöglich den Krieg weiterführen und möglichst viele Eroberungen behalten wollte? Im zweiten Fall handelt es sich ja wohl eher um Varianten innerhalb des deutschen Imperialismus, aber gewiss nicht um antifaschistischen Widerstand.“

Komplexität, Breite, Beweggründe und politische Uneinheitlichkeit

Stellt man sich diese Fragen, wird schnell klar, dass der Widerstand der kommunistischen und ArbeiterInnenbewegung von anderer Qualität war als der demgegenüber gewöhnlich breit dargestellte und mit offiziellen Weihen gefeierte Widerstand, der wie der 20. Juli 1944 aus den bürokratischen und militärischen Führungsschichten bzw. bürgerlich-konservativen Milieu kam. „Die Männer des 20. Juli gehörten überwiegend dem Bürgertum an, oder, wie zumeist die hohen Offiziere, dem Adel“ – so der bekannte Widerstandskämpfer Peter Gingold. „Ihre Widerstandsbereitschaft entstand in der Regel erst, als sie sahen, welche verheerenden Konsequenzen die nahende militärische Katastrophe für den Bestand der Macht ihrer Klasse haben könnte, die es über den Krieg hinaus zu retten galt.“

Entsprechend widersprüchlich waren denn auch die Vorstellungen, Beweggründe und Zielsetzungen innerhalb der Gruppen des 20. Juli, ohne damit einerseits deren historische Bedeutung in Abrede stellen zu wollen wie eben andererseits auch den tiefen Unterschied Stauffenbergs (oder auch Helmut Stieffs, in ihrer moralischen Empörung stärker der christlich-humanistischen Motivlage Hans und Sophie Scholls „Weißer Rose“ vergleichbar) von der mit ihm verzahnten Goerdeler-Beck-Richtung (bis zu Graf Helldorf, Arthur Nebe oder Generaloberst Erich Hoepner) zu übersehen. Ganz im Gegensatz zum diesem gegenüber bis heute indes in dessen Schatten stehenden, gescheiterten Attentatsversuch auf Hitler durch den Schreinergesellen Georg Elser am 9. November 1939. Und selbst Stauffenbergs Mitverschwörer aus der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung, Julius Leber und Wilhelm Leuschner, und deren für sie als aufgrund der Erfahrungen unabdingbare gesellschaftlichen Reformvorstellung und ihr Plädoyer auch den kommunistischen Widerstand zu kontaktieren und mit einzubeziehen, fristen gegenüber einem Admiral Canaris ein Schattendasein in der Darstellung und Bewertung des Widerstands.

Natürlich – in Parenthese: Was die Unabhängigkeit Österreichs betraf, aber das wäre ein spezifisches Thema, vertrat auch der Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner die Konzeption Goerdelers, Österreich als Teil Deutschlands einzubehalten und kontaktierte dazu auch Adolf Schärf, der dieser imperialistischen Konzeption allerdings eine Absage erteilte. Und auch was Leuschners Widerstands-Konzeption und die konkreten gesellschaftspolitischen Neuordnungsvorstellungen des ehemaligen sozialdemokratischen Gewerkschaftsführers nach erfolgreichem Umsturz anbelangt, wären in anderem Kontext durchaus ein paar eingehendere Worte zu verlieren.

Die dementsprechend beträchtlichen politischen Unterschiede im Kreis des 20. Juli jedenfalls, werden – abermals mit Peter Gingold gesprochen – „am deutlichsten sichtbar zwischen Carl Goerdeler und Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg. Goerdeler, der Mann des Bosch-Konzerns, dachte das Naziregime abzulösen durch einen autoritären Obrigkeitsstaat und eine Allianz mit den Westmächten gegen den Osten. Stauffenberg dagegen ließ sich von entschiedenem Antifaschismus leiten. Mit aufopferndem Mut versuchten er und seine engeren Kampfgefährten, dem Krieg und der Massenvernichtung ein Ende zu setzen.“ Freilich, obschon in dieser bereits vor Jahrzehnten formulierten Entgegenstellung nach wie vor das Wesentliche auf den Punkt bringend, wäre auf Boden des aktuellen Stands der Forschung vielleicht die eine oder andere noch präzisierende Fußnote angebracht, die wir im hiesigen Verlauf denn auch einzuholen versuchen. Dass auch der historische Stauffenberg komplexer ist als im Hollywood Blockbuster „Operation Walküre“ von Tom Cruise verkörpert, darf in diesem Zusammenhang als evident vorausgesetzt werden.  

Politische Unterschiede bis zu Unversöhnlichkeiten

Zunächst: Während der ArbeiterInnenwiderstand unmittelbar mit der Machteinsetzung Hitlers (genaugenommen natürlich schon lange vorher) datierte, entstand die bürgerliche und Offiziersopposition erst nach dem Scheitern des Blitzkriegs-Konzepts an der Roten Armee 1941/42 – während die militärischen Exponenten des 20. Juli davor durchaus und fast ausnahmslos von den Blitzkrieg-Siegen unterm Hakenkreuz angetan waren. Ja: „Zahlreiche militärische Exponenten der bürgerlichen Opposition waren in die Massenverbrechen der NS-Diktatur verstrickt und hatten den Widerstand im deutsch beherrschten Europa genauso rigoros bekämpft wie die Widergesetzlichkeiten der einfachen Soldaten der eigenen Armee“, wie der Sozialhistoriker Karl Heinz Roth unterstreicht und in seinen Arbeiten auch detaillierter ausweist. (Vorangegangene Meinungsverschiedenheiten, Auseinandersetzungen und Fraktionskämpfe, wie etwa jene der Schwerindustrie versus den hauptsächlich von der Chemie- und Elektroindustrie getragenen Fraktionen des deutschen Monopolkapitals um die Frage der Stoßrichtung, Kriegsstrategie und etwaigen Bündniskonstellation des Krieges zur Unterwerfung Europas und anschließendem Griff nach der Weltherrschaft, oder innerhalb der Wehrmacht über die effektivste Kriegsführung und Herrschaftssicherung, können ja wohl nicht ernstlich als „Widerstand“ gelten. „Mit Widerstand, d.h. mit Kampf gegen das Terrorsystem, die Aufrüstung und den Krieg, hat all dies offensichtlich nichts zu tun“ – wie abermals Reinhard Kühnl so treffend unterstrich.) Ihr Attentatsversuch auf Adolf Hitler fand denn auch nicht zufällig erst spät, erst im Sommer 1944 statt. Zu diesem Zeitpunkt war die militärische Niederlage Nazi-Deutschlands und des Hitlerismus indes bereits endgültig besiegelte Sache und das Ende absehbar.

Die sowjetische Großoffensive gegen die faschistische Wehrmacht zerschlug an der Ostfront gerade die zu vier Fünftel im Osten stationierten deutschen Truppen und Divisionen und befand sich im machtvollen Vormarsch, in dessen Zuge sie bereits mit der Befreiung Ostpolens begann und schon auf die ostpreußische Grenze vorstieß. Gleichzeitig landeten nunmehr auch die Westalliierten in der Normandie (D-Day 6. Juni 1944) und eröffneten die schon seit langem zugesagte „zweite Front“, gegen die (zwischenzeitlich im Grunde militärisch längst geschlagene) deutsche Wehrmacht. Die Befehlshaber der Wehrmacht an der Westfront, sahen denn auch bereits Anfang Juli den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch der deutschen Front in Frankreich voraus. Parallel stießen die alliierten Truppen auch in Italien weiter vor. Die unaufhaltsam näher rückende Niederlage des „Tausendjährigen Reichs“ war mittlerweile nicht nur den führenden Kreisen des deutschen Großkapitals und des Militärs bewusst, sondern bereits auch breiten Kreisen der deutschen Bevölkerung gewahr. Die Berichte des Reichssicherheitsdienstes strotzten nur so von eingetretener mangelnder Siegeszuversicht, Sorge, Angst, Niedergeschlagenheit, Schwarzseherei, Skeptizismus und Pessimismus in der deutschen Bevölkerung. „Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung“ habe noch „eine unbeirrt zuversichtliche Stimmung bewahrt“, hieß es eine Woche vor dem 20. Juli. Mit dem völligen Zusammenbruch der Ostfront vermerkte der Reichssicherheitsdienst dann überhaupt eine „schleichende Panikstimmung“ in breiten Kreisen der Bevölkerung. Angesichts dieser Lage suchten natürlich auch das deutsche Großkapital und bürgerlich-konservative Zirkel sowie Exponenten des Militärs nach einem Ausweg.

Dazu gehörte, mit den Historikern und Faschismusforschern Kurt Pätzold und Manfred Weißbecker gesprochen, untrennbar auch „die Klärung der Schritte und Maßnahmen ‚nach Hitler‘, über die die Vorstellungen zwischen und in den Zirkeln der Verschwörer zum Teil weit und bis zur Unversöhnlichkeit auseinandergingen.“ Denn nur der lauterste und aufrichtigste Teil der äußerst uneinheitlichen „Bewegung des 20. Juli“ trachtete nach der Wiederherstellung der Demokratie, relevante Kräfte „hatten eine Militärdiktatur im Blick, andere wünschten die Wiedererrichtung einer Monarchie“. „Die einen wollten Frieden nur mit den Westmächten, die anderen mit allen Staaten der Anti-Hitler-Koalition.“ Maßgebliche Kreise „konnten sich noch nicht von der Vorstellung trennen, Eroberungen … in die Nachkriegszeit hinüberzuretten.“ Während Stauffenberg und die mit ihm verschworenen jüngeren Generalstabsoffiziere auf eine demokratische Republik, tiefgreifende soziale Reformen und einen sofortigen Friedenschluss sowohl im Westen als auch im Osten drängten, trachteten die Proponenten der die Fäden ziehenden Goerdeler-Beck-Gruppe indes nach der Frage, was von den Ambitionen des Deutschen Reichs noch zu retten sei?

Die die Fäden in der Hand haltende Goerdeler-Beck-Gruppe

Entsprechend formulierte der in den Anfangsjahren des Nazi-Faschismus von Hitler noch zum Reichspreiskommissar ernannte Carl Friedrich Goerdeler in seiner unmittelbar nach der Niederlag vor Stalingrad (1943) geschriebenen geheimen Denkschrift an die Generalität zur nunmehrigen Notwendigkeit eines Staatsstreichs gegen den „Führer“: „Als wichtig ist hier zu erwähnen, dass man einen Weltkrieg nicht mit einer unfähigen militärischen Oberleitung und nicht mit einer abenteuerlichen politischen Führung gewinnen kann (…) Die seelischen Schwungkraft [„der völkischen Gemeinschaft“] lässt immer mehr nach (…) Welche Ziele sind dann noch durch richtiges Handeln erreichbar? Der Bestand des Reiches in den Grenzen von 1914, vermehrt um Österreich und Sudetenland (…) Auch die führende Stellung Deutschlands auf dem Kontinent kann noch erarbeitet werden (…) Dagegen ist der Zeitpunkt, Kolonien jetzt zu erwerben, verpasst.“ Letzteres war freilich, wie auch erkennbar formuliert, einzig den neuen militärischen Kräfteverhältnissen geschuldet. Im Stadium der auslaufenden „Blitz-Kriege“ und „Blitz Siege“ gehört zum Verständigungsprozess mit den „angelsächsischen Mächten“ denn prominent auch noch „das Zugeständnis eines geschlossenen Kolonialgebiets in Afrika, worauf das rohstoffarme Deutschland bestehen müsse“, wie abermals vom Sozialhistoriker Karl Heinz Roth unterstrichen.

Dementsprechend orientierten die Verschwörer, die programmatisch das Zepter in der Hand hielten, auf Verhandlungen eines Separatfriedens mit den Westmächten in den deutschen „Reichsgrenzen von 1914 im Osten“ und unter „Erhaltung Österreichs und der Sudeten beim Reich“ sowie „Tirols bis Bozen, Meran“ und einer „Autonomie Elsass-Lothringen(s)“, wie Goerdeler schrieb, unter Aufrechterhaltung der Ostexpansion des Deutschen Reichs und Weiterführung bzw. Fortsetzung des Kriegs im Osten. Prägnant charakterisierte erneut denn auch Karl Heinz Roth: Goerdeler scheint im Glauben gewesen, „er könne von den durch die Expansionspolitik inzwischen geschaffenen Fakten ausgehen und mit den [westlichen] Kriegsgegnern als Gegenleistung für die Entmachtung Hitlers und die Einstellung der Kampfhandlungen die Anerkennung der inzwischen erreichten Weltmachtstellung aushandeln.“ Dazu gehörte als intaktes militärpolitisches Hauptziel zugleich dem „zweiten Weltkrieg“, wie Goerdeler schrieb, durch die Generalmobilisierung und Konzentration aller noch mobilisierungsfähigen Reserven und Wehrmachtseinheiten auf die Fortsetzung des Kriegs gegen die Sowjetunion „ein würdiges Ziel zu geben“. Und in der Tat wälzte man auch in Washington und entschlossener noch in London (bis zur „Operation Unthinkable“ 1945) Pläne einer etwaigen Verständigung und anschließenden gemeinsamen Weiterführung des Kriegs zusammen mit den verbliebenen Einheiten der faschistischen Wehrmacht gegen die Sowjetunion. „Kurz gesagt“, wie Klaus Wagener diese bizarren Planungen auf den Punkt gebracht hat: Quasi eine Fortsetzung oder Neuauflage „von Hitlers ‚Barbarossa‘-Feldzug unter den vereinten Flaggen von Union Jack, Stars and Stripes und Hakenkreuz“. Wie dem auch immer. Der Widerstand der Goerdeler-Beck-Gruppe gegen Hitler war ersichtlich nicht gegen die Expansionspolitik Deutschlands und dessen Eroberungskrieg im Osten gerichtet, sondern gegen die erfolglose militärische „(Kriegs-)Oberleitung“, ihre Überspannung der Kräfte des „Reichs“ und ihr Vabanquespiel.

Hinsichtlich der künftigen Staats- und Gesellschaftsordnung visierte Goerdeler in seiner voluminösen, programmatischen „Ziel-“Schrift eine autoritär-berufsständische Gesellschaft mit einem „Reichsführer“ oder „Reichsverweser“ und einem starken, die politische Macht ausübenden „Reichskanzler“ mit Weisungsrecht gegenüber seinen Ministern an der Spitze an. Nach dem Verstand der Goerdeler-Beck-Gruppe sollte das ersichtlich in den Abgrund führende Hitler-Regime letztlich durch ein anderes autoritär-militaristisches Regime, nicht wenigen Exponenten der bürgerlichen Opposition nach überhaupt durch eine offen faschistische Alternative zur überfälligen Ablösung der Naziherrschaft, ersetzt werden.

„Höhepunkt und Endpunkt des Widerstands“ der „Besten“ (Helmut Kohl), in denen dieser schlechterdings „sein Symbol gefunden“ hat?

Als vielleicht besonders fassliches Sinnbild der taxfreien Verklärung der „Männer des 20. Juli“ in die zugleich „Besten“ („Es waren nicht viele, aber die Besten“ wie zum 50. Jahrestag quasi offiziell dekretiert wurde) kann – neben Graf Helldorf, Arthur Nebe, Admiral Canaris und anderen – wohl Generaloberst Erich Hoepner herangezogen werden. Mit fortschreitender Forschung gerieten – neben seiner Rolle um die SS-Einsatzgruppen im Osten – auch sein Befehl hinsichtlich des Vernichtungskriegs gegen die Sowjetunion wieder ins allgemeinere Bewusstsein: „Der Krieg gegen Russland ist ein wesentlicher Abschnitt im Daseinskampf des deutschen Volkes. Es ist der Kampf der Germanen gegen das Slawentum, die Abwehr des jüdischen Bolschewismus. Dieser Kampf muss die Zertrümmerung des heutigen Russland zum Ziel haben und deshalb mit unerhörter Härte geführt werden. Jede Kampfhandlung muss in Anlage und Durchführung von dem eisernen Willen zur erbarmungslosen, völligen Vernichtung des Feindes geleitet sein.“ Entsprechend wurden unter seinem Befehl sowjetische Politkommissare weisungsgemäß auch „grundsätzlich sofort mit der Waffe … erledigt“, wie es in den Berichten seines Kommandobereichs hieß. Hoepner war mit dazu der Erste der vorschlug, gegen die sich in die Wald- und Sumpfgebiete zurückziehenden Partisaneneinheiten Giftgas einzusetzen. Im Anschluss an diese gründlichere Aufarbeitung seiner Person wurden auf punktuelle Initiativen das nach ihm benannte Gymnasium in Berlin-Charlottenburg und einzelne der nach ihm benannten Straßen umbenannt und setzte eine gewisse Diskussion um seinen jahrzehntelang beschworenen „festen Platz“ im Pantheon des „Aufstands des Gewissens“ ein. Aber mehr als ein kurzes Rütteln am platten Narrativ der durchgängig „freiheitlich gesinnten Kräfte aus allen Lagern“ im 20. Juli zeitigte dies alles nicht. Und dass sich etwaiges auch für zahlreiche weitere Akteure des 20. Juli ausführen ließe, macht es nicht einfacher.

Noch heute gilt, in Deutschland sogar als eine Art Staatsraison, indes, dass der antifaschistische Widerstand in der „Handvoll Männer“ wie ihm „sein Symbol gefunden“ habe. Und das gilt nicht weniger für die quasi geschichtsoffizielle Bewertung der Goerdeler-Gruppe als Vorbild und Wegbereiter „unserer Demokratie“. Dass die gesellschaftspolitisch geplante Staatsordnung Goerdelers, gar jene der in Verbindung mit ihm stehenden „Freiburger Professoren“, eine autoritär-ständestaatliche Neuordnung bzw. eine bruchlos am „totalen (Obrigkeits-)Staat“ anknüpfende andere faschistische Alternative zur NS-Diktatur projektierten, wird damit ebenso unhistorisch wie in durchsichtigem Interesse getilgt.

Ganz anders hingegen der aus einem Impuls starker, ehrlicher moralischer Empörung handelnde Stauffenberg und seine Gruppe junger Generalstabsoffiziere. Sie strebten entschieden auf die Wiedererrichtung einer Demokratie, weitreichende soziale Reformen, die Beteiligung des ArbeiterInnenwiderstands und Frieden mit allen Seiten. Entsprechend warf ihm Goerdeler (noch aus dem Todestrakt seines Nazi-Gefängnisses heraus) „einen unklaren politischen Kurs mit Anlehnung an Linkssozialisten und Kommunisten“ vor. Dieses Urteil Goerdelers zeigt nur um welch Längen und prinzipielle Zielstellungen des Widerstands gegen Hitler ihn Stauffenberg überragte. „Einigkeit“, so lässt sich nochmals mit Reinhard Kühnl hervorstreichen, „bestand nur im taktischen Nahziel: der Notwendigkeit, Hitler und seine Regierung zu beseitigen.“

Die Fäden der Verschwörung hatten allerdings die Gruppe um Beck und Goerdeler in der Hand. Dem deutschnationalen Ex-Oberbürgermeister von Leipzig Carl Friedrich Goerdeler und dem frühere Generalsstabschef des Heeres Ludwig Beck waren denn auch die wichtigsten politischen Machtpositionen nach dem Umsturz zugedacht. Ersterer sollte neuer starker „Reichskanzler“, zweiterer Präsident oder „Reichsverweser“ werden. Stauffenberg selbst war vorrangig für die Durchführung des Attentats ausersehen, galt dem Beck-Goerdeler-Zirkel „im übrigen aber als politisch verdächtig, als zu links“ (Reinhard Kühnl). Aus dieser Uneinheitlichkeit bis Unversöhnlichkeit der politischen Spannbreite der „Bewegung des 20. Juli“ resultieren im Näheren „immer noch unterschiedliche Bewertungen“ (auch unter MarxistInnen) und „verschiedene Gewichtungen“ (nicht zuletzt auch im Verhältnis zum bedeutend früher einsetzenden, breiter getragenen und in seinen Zielsetzung prinzipiell gegen das Nazi-Regime, Faschismus, dessen Vernichtungspolitiken und dessen imperialistischer Expansionspolitik und Krieg gerichteten ArbeiterInnenwiderstand), wie der Historiker und Faschismusforscher Dietrich Eichholtz festhält. Auch wenn das dem medial vorherrschenden Narrativ: „Es waren nicht viele, aber es waren die Besten. Der 20. Juli war Höhepunkt und Endpunkt des Widerstands … gegen die Herrschaft des Verbrechens“ (Helmut Kohl) widerspricht. „All das mindert nicht die Größe der Tat des 20. Juli 1944 und beschädigt nicht den Mut und die Todesverachtung der Akteure“, so um gleichzeitig Missverständnissen vorzubeugen mit Eichholtz weiter. Und doch gilt es zwischen den Gruppen des 20. Juli zugleich auch sorgfältig zu unterscheiden.

Die heutige Handvoll Militärs in der Tradition Stauffenbergs & die neuen Ost- und Weltordnungs-KriegerInnen

Björn Blach hat diese unterschiedlichen Zielsetzungen und politisch-programmatischen Perspektiven kürzlich im Fokus auf die Stauffenberg‘sche Tradition denn auch nochmals ins Hier und Heute übersetzt: Wenn die herrschenden Bellizisten „in den kommenden Wochen den Namen Stauffenberg in den Mund nehmen, soll ihnen mindestens die Zunge anschwellen … Sie haben nichts gemein mit den mutigen Männern, die erkannt haben, dass die Katastrophe, die sie lange mittrugen, beendet werden muss. Es gibt heute wenige Generäle, die sich auf die Tradition des Attentats vom 20. Juli berufen dürfen. Harald Kujat, der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, gehört dazu. Er erkennt die Gefahr eines Dritten Weltkriegs und erkennt das nationale Interesse Deutschlands [wie auch Österreichs]: Frieden.“

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